Photos:Portrait professional: Challange Records Inc, Gunther in
“Götterdämmerung“ with Lance Ryan Staatstheater Wiesbaden. Foto: Barbara
Aumüller; Ford in “Falstaff“
with Craig Colclough, at the Opera Vlaanderen Antwerpen. Foto: Annemie
Augustijns
Oxana
Arkaeva
Sie
haben in den letzten Jahren eine beachtliche Karriereentwicklung gemacht? Sind
Sie mit dieser Entwicklung zufrieden?
Ja, ich bin zufrieden. Vor ungefähr 12 Jahren habe ich angefangen
Wagner zu singen, ein Repertoire, das den deutschen Sänger den internationalen
Markt eröffnet. Sie bekommen dadurch, mehr Gelegenheit im Ausland zu gastieren.
Dank dieser Tatsache hat auch meine Karriere vor ca. 12 Jahren einen neuen
Schub bekommen. Ich bin aber nicht nur zufrieden, sondern auch
dankbar. Wenn man anfängt, dieses Fach zu studieren, kann man nie genau wissen,
wie weit man damit kommen kann. Man rechnet nicht damit, dass man in New York
an der MET oder hier in Bayreuth landen kann. Beiden, insbesondere
hier in Bayreuth, sind Traumhäuser für einen Sänger. Wenn dann eines Tages MET
anruft, denkt man erst es wäre ein Scherz. Aber, wie wir sehen, können Träume
auch wahr werden.
Ist
Bayreuth der Höhepunkt dieser Entwicklung?
Zumindest
ein der Höhenpunkte. Für Wagner Repertoire ist Bayreuth ein der wichtigsten,
oder das wichtigste Haus weltweit. Bayreuth ist ein eigenes Universum, das
durch die künstlerische und musikalische Zusammenarbeit und Miteinander viele
großartigen Künstler zu einem Höhenpunkt der Opernsommer Europas wird.
Gäbe/gibt es eine Steigerung
oder sind Sie an dem Point of no Return Ihres beruflichen Werdeganges
angekommen?
Nein, definitiv nicht. Ich bin diesbezüglich noch nicht
fertig. Man entwickelt sich immer weiter. Es sind verschiedene Aspekte, die
eine Steigerung im beruflichen Leben definieren. An der ersten Stelle steht die
Qualität der Produktion im Vordergrund, und nicht die Größe des Hauses. Die
hervorragende Qualität trifft man nicht nur an den großen Häusern, sondern auch
an den kleinen Bühnen. An der zweiten Stelle steht das Team, mit dem ich
arbeite: Regisseure, Kollegen, Dirigenten. Denn wenn man sich miteinander
menschlich und künstlerisch gut versteht,, ist es großartig. Das alles muss für
mich stimmen, genau wie hier in Bayreuth. Nach der Zusammenarbeit mit solch
einem großartigen Regisseur wie Berry Kosky entwickelt sich allerdings zu einem
Qualitätgourmand. Sicher wird es für mich nicht leicht werden, eine andere
Produktion von „Die Meistersinger“ mit einem andren zu machen, denn Kosky hat
Masstabe gesetzt. An der zweiten Stelle steht das Team, mit dem ich arbeite:
Regisseure, Kollegen, Dirigenten. Denn wenn man sich miteinander menschlich und
künstlerisch gut versteht, ist es großartig. An der dritten Stelle kann ich sagen, dass es
nicht immer eine neue Rolle sein muss. Gerne nehme ich bereits gesungenen
Partien wieder auf.
ie betonen gerne, Sie seien
nicht nur ein Wagner-Sänger. Wäre es so schlimm nur Wagner zu singen?
Nicht schlimm, aber ermüdend. Psychisch und physisch.
Von dem Stilistischen und Stimmlichen her erfordert Wagner eine eigene
Ästhetik, Ausdauer, Dynamik und Sprache. Denn seine Musik ist oft andauernd
laut. Wenn man dann dazwischen keinen anderen Komponisten singt, fällt man
schnell in das Deklamieren im Gesang, in den Sprechgesang. Deswegen versuche
ich immer wieder Verdi oder auch Mozart singen, denn sie bringen einen zurück
in die Cantilena und Legato. Insbesondere Mozart ist ein Balsam für die Stimme.
Wie würden Sie Ihre Arbeit, die
Atmosphäre bei der aktuellen “Meistersinger” Produktion beschreiben? Was war
besonders/anders?
Es war durchgehend eine tolle Stimmung. Berry Kosky hat
eine unglaublich positive, ironische, witzige Art zu proben. Dazu kommen ein
großartiges Sängerteam und die Rolle selbst, die eine witzige, melancholische,
tragikomische Seite aufweist. Beckmesser ist ein Mensch, der gequält,
verspottet und verachtet wird. Die Parallelen, die Kosky zum jüdischen
Dirigenten Levi zieht, sind, zu nachvollziehen. Wagner, der ihn geschätzt hat,
hat ihn nichtsdestotrotz immer wieder verspottet und mit Genuss leicht gequält.
Die Tatsache, dass beiden, Levi und Backmesser, sich auf eine ziemlich
masochistische Art auch quälen gelassen haben, bildet, meiner Meinung nach,
einen neuen Gesichtspunkt dieser Rolle.
Wie viel Beckmesser steckt im Kränzle und wie viel Kränzle
steckt im Beckmesser?
Die Rolle liegt mir sehr, aber ich denke nicht, dass
ich solch ein trauriger, einsamer Mensch bin. Beckmesser ist ein Mensch, der
gequält, verspottet und verachtet wird und Kosky hat mich mit seiner Ansätze zu
der Figur völlig überzeugt. Mein privat Leben ist allerdings völlig anders, als
das vom Beckmesser. Und ich glaube, dass ich eher ein zufriedener, integrativer
Typ, und nicht ein separierender Mensch bin.
Welche ist die größte sängerische sowie darstellerische
Herausforderung bei solch einer Partie?
Die Komik, sie
ist solch eine Herausforderung. Denn sie kann nur dann entstehen, wenn der
Darsteller auf der Bühne komplett ernst agiert. Die Komik entsteht aus der
Situation und nicht weil Darsteller sich wie ein Clown benimmt. Damit es den
Zuschauern als komisch erscheint, sind die Ernsthaftigkeit und die
Timing extrem wichtig. Und es ist befriedigend zu hören, dass das Publikum
lacht, wenn auch aus Schadensfreude. Eine weitere Herausforderung liegt in der Partie
selbst, denn Beckmesser sehr viel und in der hohen Lage schimpfen muss. Wenn
man nicht aufpasst und zu viel Gas gibt, wird man sehr schnell müde. Die Rolle
ist extrem intensive, oft klein eingeteilt und am Stück ohne Pausen. Auch
künstlerisch muss der Sänger es schaffen können einen Raum, eine bestimmte
Atmosphäre um die Figur zu erschaffen.
Ihre Gesundheit in den vergangenen drei Jahren war und ist
ein Thema vieler Interviews. Wie stark nervt Sie das? Sind Sie so was wie ein
Hoffnungsträger für viele oder würden Sie das Thema gerne endlich hinter sich
lassen? Einen Schlussstrich ziehen?
Nein, es nervt mich nicht und ich will/kann auch kein
Schlussstrich ziehen. Was mich allerdings nerven würde, wenn ich praktisch
immer nur damit verknüpft werde: „Das ist der Sänger, der eben sehr lange krank
war“. Ich merke aber, dass nach drei Jahren die Fragen diesbezüglich deutlich
nachlassen. Natürlich fragen sich die Theaterprofis, wie es mir geht? Aber ich
möchte anhand meiner Leistung beurteilt werden und kein falsches aufbauendes
Mitleid unter dem Motto “dafür, dass er so krank war, singt er ordentlich“
hören. Viele Menschen, die nicht wissen, dass ich so schwer erkrankt war, merken
es auch nicht. Die hören eben den „alten Martin“ und das ist großartig und
befriedigend.
Außerhalb des Sängerberufes, wie sieht der Alltag vom Martin
Kränzle aus?
Seitdem ich wieder aktiv singe, ist mein Alltag durch meinen Beruf bestimmt.
Immer wieder eine neue Stadt, eine neue Wohnung, neue Partie, Proben,
Vorstellungen. Während der Proben habe ich nicht so viel freie Zeit. Bei den
Vorstellungen eher mehr. Dann reise ich in der Gegend herum, schaue mir neue
Städte an. Mit meiner Freundin Lena machen wir ganz viel zusammen. Sie ist eine
freiberufliche Sängerin und wir versuchen und immer wieder die Zeit nehmen und
zusammen viel zu unternehmen. Im Sommer, in Bayreuth waren meine Kinder und
meine Mutter dabei, die auch eine Vorstellung besucht haben. Es ist schön,
meine Familie um mich herum zu haben.
Wenn Sie in die Zukunft
schauen, wie sieht diese aus?
Dazu kann ich nicht viel sagen, das
weiß ich nicht. Das liegt auch darin, dass ich immer wieder ein Auge auf meine
Gesundheit werfen muss. Nach solch einer Erkrankung lebt man in jetzt und
schaut man nicht unbedingt in die Zukunft. Man kann schon Pläne machen, aber
man sollte bescheiden bleiben. Ich sehe trotzdem positiv in die Zukunft, bin
privat glücklich und beruflich kommen sehr schöne Engagements auf mich zu.
Und zurück zum Wagner. Welche
Partie steht als nächste vor?
Keine neue Wagner Partie. Ich habe aber schon sehr
viele Wagner gesungen. Die ganz hoch dramatischen Partien wie Hans Sachs,
Holländer oder Wotan sind sowieso nichts für mich. Amfortas würde ich noch mal
singen wollen, denn ich habe es nur ein Mal singen dürfen, und bin dann krank
geworden. Meine nächste neue Rolle wird im Janacek’ s „Aus dem Totenhaus“ sein,
sowie die Wiederaufnahme als Ford in „Falstaff“.